Rassismus
TRIGGERWARNUNG: Rassistische Gewalt

„Als Kind wurde ich oft über meinen Namen und meinen Migrationshintergrund lustig gemacht.“
Ender, 28
In diesem Interview geht es um Ender und seine Erfahrungen, die er mit Rassismus machen musste. Ender erhofft sich von dem Projekt eine Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung zum Thema Rassismus. Aus diesem Grund war er bereit, seine Geschichte zu erzählen und so Teil des Projekts zu werden.
Mehr kannst du in diesem Interview lesen.
Erzähl gerne etwas über dich.
Wer bin ich? Hallo, mein Name ist Ender, ich bin 28 Jahre alt und komme aus Karlsruhe. Seit knapp 3 Jahren studiere ich an der TU Ilmenau Wirtschaftsinformatik.
Was mach ich? Ich selber würde mich als unternehmensfreudig beschreiben. Besonders gerne betreibe ich Sport wie z. B. Boxen, Tanzen und gehe Wandern, falls das Wetter es in Ilmenau zulässt. Außerdem bereise ich gerne anderen Ländern, um neue Erfahrungen zu sammeln.
Was erwarte ich vom Projekt? Dass man für das Thema Rassismus sensibilisiert wird und ein stärkeres Bewusstsein dafür entsteht.
Wie oft wurdest du in deinem Leben mit Rassismus konfrontiert?
Ich habe keine genaue Zahl. Aber ich wurde schon öfter mit dem Thema Rassismus in meinem Leben konfrontiert.
Erzähle gerne von ein paar Fällen.
Ich wurde schon in unterschiedlichen Situationen und Lebensabschnitten mit Rassismus konfrontiert:
Kindheit: Als Kind wurde ich oft über meinen Namen und meinen Migrationshintergrund lustig gemacht.
Nachtleben: Wurde außergewöhnlich oft von „Türstehen“ im Gegensatz zu meinen Freunden ohne Migrationshintergrund nach Hause geschickt.
Polizei: Wurde sehr oft ohne Anhaltspunkte von der Polizei durchsucht. In manchen Situationen ging es so weit, dass Freunde von mir, ohne etwas gemacht zu haben, von der Polizei attackiert wurden. An eine Geschichte kann ich mich noch gut erinnern, da Stande die Polizei vorm Club und wir sind zurückgelaufen, um nochmal nach meiner Jacke zu suchen, die im Club verloren ging. Wir sind nur zurückgelaufen und auf einmal schlug die Polizei von hinten mit dem Schlagstock auf meinem Freund neben mir ein (zum Glück ist er ihr aus der Hand gefallen). Nach der Festnahme stellte die Polizei fest, dass mein Freund, der im Übrigen auch einen Migrationshintergrund hat, ohne etwas getan zu haben, von der Polizei festgenommen wurde. Anschließend wurde er mitten in der Nacht irgendwo im nirgendwo aus dem Polizeifahrzeug rausgeschmissen mit der Aussage „Hast Glück gehabt, da nichts gemacht hast“. Natürlich stellt das keinen Beweis für Rassismus dar, aber dafür sind mir leider solche Geschichten zu oft passiert und man hat auch den Vergleich zu anderen Freundeskreisen.
Arbeit: In einem Job musste ich eng mit der Produktion zusammenarbeiten. Nach der Einstellung wurde zu mir gesagt, dass die Zusammenarbeit mit der Produktion durch einen türkischen Hintergrund mir leichter fallen würde.
Ein weiterer Fall von einem sehr guten Freund aus dem Vertriebsalltag ist, dass er ein Kundentelefonat hatte und der Kunde gemeint hat, dass er froh ist, mit einem „Deutschen“ und nicht mit so ein „Mohammed“ telefonieren zu müssen.
Wohnungsmarkt: Die nächste Geschichte klingt so absurd, dass man denken könnte, sie wäre ausgedacht, ist sie leider nicht. Ist mir nicht persönlich passiert (erwähne den Verwandtschaftsgrad extra nicht, damit die Person anonym bleibt), aber ich möchte trotzdem darauf aufmerksam machen. Es wurden zwei Angebote für einen privaten Hauskauf abgegeben. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das günstigere Angebot (30000 € weniger) akzeptiert wurde. Wie kann das sein? Ganz einfach, das Rentnerpaar, welches ihr Haus verkauft hat, wollte nicht, dass danach eine türkische Familie (Aussage: „Wollen keine Türken im Haus haben“) einzieht, obwohl diese 30000 € mehr geboten hat.
Hast du in Ilmenau rassistische Erfahrungen machen müssen?
Ja, an meinen ersten Tagen in Ilmenau. Nach einem Vereinstreffen bin ich mit mehreren Personen zurück in die Stadt gelaufen. Ich kannte die Personen selbst nicht, bin aber mitgelaufen, um neue Freunde kennenzulernen. Danach sind wir an einer Bushaltestelle vorbeigelaufen, an der mehrere Erwachsene Alkohol getrunken haben. Eine Person aus der Gruppe hat die Personen an der Bushaltestelle gegrüßt und ich habe einfach mit gegrüßt. Danach hat er zu mir gesagt, dass er es gut findet, wenn jemand wie ich im Osten nett ist, da ich ja mehr aufpassen müsse.
Nach einem Rave bin ich nachts nach Hause gelaufen. Auf dem Heimweg wurde ich von mehreren Rentnern angesprochen, was für eine Party da stattfindet. Nach einer netten Unterhaltung wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass mein Deutsch ja außergewöhnlich gut ist.
Wie hast du dich in den Situationen gefühlt?
Im ersten Moment „ausgeschlossen“, weil man direkt oder indirekt das Gefühl vermittelt bekommt, nicht dazuzugehören.
Hast du in den Situationen etwas unternommen oder sind dir Personen zu Hilfe gekommen?
Ja, bei der Festnahme meines Freundes, aber ehrlich gesagt, was soll man im ersten Moment gegen die Polizei anrichten?
In Ilmenau bei der beschriebenen Situation an der Bushaltestelle. Eine Person aus dem Verein hat gemeint, dass er doch sein „Maul halten“ soll und so etwas nicht sagen kann.
Haben dir schon Menschen in deinem Umfeld das Gefühl gegeben, dass du nicht zu dieser Gesellschaft gehörst?
Als Kind oft. Aber aktuell würde kein Mensch aus meinem engeren Umfeld mir das Gefühl geben, nicht zu dieser Gesellschaft zu gehören.
Wurdest du bereits von der Polizei angehalten und kontrolliert aufgrund deines Aussehens?
Kontrolliert, ja, kann es natürlich nicht beweisen. Kein Polizist würde behaupten, dass ich aufgrund meines Aussehens kontrolliert wurde.
Wurdest schon aufgrund deines Aussehens körperlich angegriffen?
Zum Glück nicht.
Was denkst du, könnte die Gesellschaft dazu beitragen, Rassismus zu bekämpfen?
Ich denke, es müssen mehrere Wege eingeschlagen werden, um Rassismus zu bekämpfen.
-Engagement und Aktivismus: Andere auf dieses Thema aufmerksam machen. Rassismus ist ein Gesellschaftliches Thema und betrifft somit jeden
-Förderung der Diversität: Einer der wichtigsten Punkte ist, dass schon im Kindesalter auf Diversität aufmerksam gemacht wird, um möglichst früh dafür ein Bewusstsein bei Kindern zu schaffen. Unternehmen könnten spezielle eigene Diversitäts-Programme fördern.
-Maßnahmen des Einzelnen: Sich selbst mehr mit seinem Denken, Handeln und Emotionen auseinandersetzen, um dadurch ein Bewusstsein für Rassismus zu schaffen. Oft entstehen bei einem selbst implizit rassistische Handlungen, ohne dass diese bewusst sind. Achtsamkeitsübungen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung.
-Empathie und Respekt: Empathie und Respekt gegenüber anderen Menschen, die nicht dem eigenen Weltbild entsprechen.
Denkst du, die Regierung könnte Dinge tun, um Rassismus aktiv zu bekämpfen?
Ganz klar ja:
-Bildung und Bewusstsein schaffen.
-Gesetzliche Rahmenbedingen schaffen: Gleichheit und Gerechtigkeit im System schaffen unabhängig von der sexuellen Orientierung, dem Geschlecht, ethnischen Abstammung oder Weltanschauung. Ab einer bestimmten Unternehmensgröße oder Umsatz müssen Unternehmen Maßnahmen zur Diversität entwickeln.
-Hinter benachteiligten Minderheiten stehen.


