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Einzigartig und wertvoll: Das Leben mit einem Familienmitglied mit Down-Syndrom

Das Down-Syndrom, auch als Trisomie 21 bekannt, ist eine genetische Störung, bei der eine zusätzliche Kopie des Chromosoms 21 vorhanden ist. Dies führt zu charakteristischen körperlichen Merkmalen und kann auch eine Vielzahl von gesundheitlichen und kognitiven Herausforderungen mit sich bringen. Menschen mit Down-Syndrom haben in der Regel eine verzögerte geistige Entwicklung und können unterschiedliche körperliche Einschränkungen aufweisen. In Deutschland gibt es eine beträchtliche Anzahl von Menschen, die vom Down-Syndrom betroffen sind. Laut Statista leben derzeit rund 50.000 Menschen mit dieser Behinderung in der Bundesrepublik. Diese Zahl variiert jedoch, da jedes Jahr etwa 300 bis 400 Kinder mit der genetischen Störung geboren werden. Die Prävalenz des Down-Syndroms beträgt etwa 1 von 700 Geburten in Deutschland.

Insgesamt ist es wichtig hervorzuheben, dass jeder Mensch mit Down-Syndrom einzigartig ist und eine breite Variabilität an Fähigkeiten und Potenzialen aufweist. Leider gibt es in der Gesellschaft jedoch immer noch gewisse Blockaden, Menschen mit solch einer geistigen Behinderung in die Gemeinschaft zu inkludieren.  Ich selbst habe ein Familienmitglied, welches das Down-Syndrom hat – meine Tante. Sie hat keinerlei körperliche Einschränkungen durch den genetischen Defekt, jedoch ist sie in Hinblick auf ihre geistige Reife sehr jung, bald schon kindlich, geblieben. Aus diesen Gründen wohnt sie auch heute noch bei meiner Oma, da ihr gewisse Fähigkeiten und das Verständnis für viele Sachen fehlen und sie so von anderen im Alltag unterstützt werden muss. Meine Tante ist das jüngste Kind meiner Oma. Als sie während der Schwangerschaft erfuhr, dass ihr Kind das Down-Syndrom hat, war es für sie im ersten Moment ein großer Schock. In den 80er Jahren, als meine Oma mit ihr schwanger war, war die Gesellschaft wesentlich schlechter über die geistige Behinderung aufgeklärt als sie es heute ist. Bei der Geburt meiner Tante teilten die Ärzte meiner Oma zudem mit, dass sie wahrscheinlich nur wenige Jahre alt werden würde – was nicht eingetreten ist, da meine Tante heute noch lebt. In dieser Zeit hat sich meine Oma jedoch immer mehr aus der Gesellschaft zurückgezogen. Sie wusste nicht, wie sie mit dieser ganzen Situation umgehen soll und wollte meine Tante gewissermaßen vor den neugierigen Blicken der Menschen beschützen. In dieser schweren Zeit waren vor allem die anderen Kinder meiner Oma eine große Stütze für sie. Sie scheuten sich nicht davor, meine Tante mit in die Öffentlichkeit zu nehmen. Dies gab meiner Oma neuen Mut. 

Es war meiner Familie immer sehr wichtig, dass meine Tante neben ihren Eltern und Geschwistern auch andere soziale Kontakte hat. Deshalb besuchte meine Tante einen Kindergarten und später dann auch eine Schule für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung. Dort fand sie auch recht schnell neue Freunde und blühte richtig auf. Die Betreuer*innen gaben sich viel Mühe, die Schüler*innen so gut wie möglich in die Gesellschaft zu integrieren. Deshalb haben sie viele Ausflüge wie z.B. in Tierparks gemacht, oder sind sogar mit denjenigen, deren Zustand es zuließ, auf Klassenfahrt gefahren. Noch heute spricht meine Tante von einer Klassenfahrt, bei der sie auf einem Reiterhof waren. Sie mag Pferde sehr gerne, weshalb das einer ihrer Höhepunkte in der Schulzeit war. Nachdem sie schließlich 16 Jahre wurde, verließ sie diese Schule. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass meine Tante keinerlei Schulabschluss hat, da sie aufgrund des Down-Syndroms weder lesen noch ganze Wörter bzw. Sätze schreiben und auch nicht rechnen kann. Dennoch haben wir als Familie uns immer bemüht, sie zu fördern. So kann sie beispielsweise alle Buchstaben in Druckschrift schreiben und möchte auch ständig, dass man ihr die Namen aller Familienmitglieder diktiert, damit sie diese aufschreiben kann. Zudem liebt sie es zu malen. Ich kenne keine Person, die so viele Stifte und Malbücher hat wie meine Tante. Als Kind habe ich es geliebt bei ihr zu sein, dann haben wir immer zusammen Bilder ausgemalt. 

Nachdem meine Tante also die Schule beendet hat, hat sie angefangen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zu arbeiten. Dabei war es immer sehr wichtig für sie, dass sie einen geregelten Tagesablauf hat. Nach dem Aufstehen bekommt sie ihr Frühstück und wird anschließend für die Arbeit fertig gemacht. Ein Fahrdienst holt sie dann schließlich von zu Hause ab, fährt sie und einige ihrer anderen Kolleg*innen auf Arbeit und bringt diese nach Feierabend wieder nach Hause. Nach der Arbeit hat meine Tante das feste Ritual, dass sie allein in ihr Zimmer geht und für etwas 30 bis 60 Minuten Musik über ihre Anlage hört. Dann tanzt und singt sie zur Musik, um von der Arbeit abschalten zu können. Dabei macht sie die Musik teilweise so laut, dass meine Oma sie mehrmals ermahnen muss, die Musik leiser zu machen. Nachdem sie dies getan hat, schaut sie meist noch einen Film, malt oder bastelt den Rest des Tages. Gelegentlich nimmt meine Oma sie auch zum Einkaufen mit. Da meine Tante jedoch keine großen Menschenmassen mag und es für sie recht anstrengend ist, so lange zu laufen, passiert dies eher selten. Dennoch freut sie sich sehr, wenn sie einmal mitkommen darf. Ich habe es oft erlebt, dass die Menschen uns sehr auffällig angeschaut haben, als ich mit ihr und meiner Oma einkaufen war. Menschen mit Down-Syndrom haben bestimmte äußerliche Merkmale, weshalb man es vielen Leuten ansieht, wenn sie den Gendefekt haben. Für uns als Familie ist es selbstverständlich jemanden mit Down-Syndrom in der Familie zu haben, da wir es nicht anders kennen. Doch für die meisten Menschen ist dies nicht die Normalität, weshalb sie neugierig sind und deshalb meine Tante länger anschauen. Jedoch habe ich es auch schon oft erlebt, dass manche Menschen sie sehr auffällig anstarren, einen großen Bogen um sie gehen oder bewusst wegschauen. Sie selbst bemerkt dies gar nicht und ist sich der Bedeutung dieses Verhaltens nicht bewusst, worüber ich sehr froh bin. Ich denke, niemand fände es schön, wenn andere einen wegen seines Aussehens anstarren, Umwege gehen oder bewusst wegschauen. Es macht einen schon traurig zu sehen, dass die Menschen immer noch eine gewisse Blockade gegenüber Meschen mit einer geistigen Behinderung haben und sich vor diesen verschließen. Meine Tante ist anders als andere, aber genau das macht sie so besonders und einzigartig. Sie kann zwar nicht lesen, schreiben oder rechnen, dafür ist sie sehr einfühlsam und schafft es immer, anderen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern- ich bezeichne das als wahre Superkraft!

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