In der Debatte zur sexuellen Belästigung geht es häufig um Frauen und Personen aus der LGBTQIA+ Community und das ist auch richtig so, da sie mit weit über 80% deutlich häufiger Opfer sexueller Belästigung werden als Männer. Doch auch jeder dritte Mann ist bereits einmal Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden. Hierzu zählen nicht nur Vergewaltigungen oder sexueller Missbrauch, sondern auch jegliche Form von sexueller Belästigung wie unerwünschte sexuelle Kommunikation oder Berührungen. Doch ist die Häufigkeit der einzige Grund, warum selten über männliche Opfer gesprochen wird?

Die Studie Gewalt gegen Männer hat 2005 weitere Gründe gefunden, warum Männern nach einem sexuellen Übergriff häufiger schweigen als Frauen. Was vielen oft nicht so bewusst ist, ist, dass Männer genauso unter patriarchalen Strukturen leiden wie Frauen, nur oft auf andere Art und Weise. Männer müssen stark sein, sie sollen ihre Emotionen zurückhalten und einen stabilen Halt geben. Doch jeder Mensch hat auch eine weiche Seite und warum sollen Männer diese nicht zeigen dürfen. Viele Männer leben leider noch in diesem unerfüllbaren Rollenbild. Die Studie hat herausgefunden, dass ⅓ der Männer einen sexuellen Missbrauch als einem Missbrauch an ihrer Männlichkeit ansehen. Sie haben das Gefühl, das soziale Umfeld spricht ihnen die Erfahrung ab, da Männer doch das stärkere Geschlecht seien. Doch auch unter Missbrauch an Männern sind die Täter häufig männlich, was für viele Opfer eine weitere Hürde ist, sich Hilfe zu holen. Sie haben Angst, nach einem sexuellen Übergriff durch einen Mann als homosexuell betrachtet zu werden. Die Unterstellung einer anderen Sexualität ist für viele eine schreckliche Vorstellung, weshalb sie es lieber schweigen.
Ebenfalls gibt es in der Gesellschaft die Behauptung, dass Männer ja immer Lust auf Sex hatten und man aus diesem Grund Männer gar nicht gegen ihren Willen sexuelle belästigen könnte. Was einfach nicht stimmt! Durch eine Befragung in Großbritannien konnte man ermitteln, dass Männer, auch wenn sie Angst und/oder Ekel verspüren, eine Erektion bekommen können. Was im Umkehrschluss heißt, dass eine Erektion nicht bedeutet, dass die Person auch Lust auf Sex hat. So sollte man egal welches Geschlecht immer nach Konsens (ein deutliches Ja zum sexuellen Kontakt) fragen.
Also, lasst uns gemeinsam einen Ort kreieren, in dem man sich traut, über Dinge zu sprechen. Egal welches Geschlecht, welche Sexualität oder welche Art von Übergriff stattgefunden hat.