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Niemand muss Täter sein

Im Frühling 2022 kam es zu Vorwürfen aufgrund sexualisierter Gewalt und des Machtmissbrauchs gegen die Punkrock-Band Feine Sahne Fischfilet (FSF), insbesondere gegen den Sänger Jan Gorkow alias Monchi. Bis heute sind diese nicht eindeutig geklärt. Wir möchten euch einen Überblick über die Geschehnisse geben.

Die Band Feine Sahne Fischfilet gründete sich 2004 in Mecklenburg-Vorpommern und bestand bis Anfang des Jahres aus sechs Mitgliedern. Sie gehört zu den erfolgreichsten Punkrockbands Deutschlands und spielt regelmäßig ausverkaufte Konzerte vor tausenden Fans. Immer wieder äußerte sich die Band in ihren Texten und Interviews klar gegen Rassismus, Faschismus, Homophobie und Sexismus. In der linken Szene genoss die Band dadurch immer hohes Ansehen, Release-Partys wurden zu „Antifaschistischen Aktionstagen“ und die Band kämpfte mit ihrer Kampagne „Noch nicht komplett im Arsch“ gegen den Rechtsruck im ländlichen Raum Ostdeutschlands. Zu teilweise sexistischen Texten ihrer frühen Anfangsphase äußerte sich FSF schnell sehr kritisch, spielt diese nicht mehr und setzte sich auch immer wieder für Kampagnen gegen Sexismus ein. Umso überraschender waren die Vorwürfe, welche im Mai 2022 ans Licht kamen.

Auf dem Instagram-Account @keinermusstaetersein, auf Twitter sowie auf dem Blog „Niemand muss Täter sein“ wurde ein längeres Statement veröffentlicht, in welchem dem Sänger Jan Gorkow mehrere Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch vorgeworfen werden. Die anonyme Gruppe bezieht sich dabei auf mehrere Betroffene, welche ebenfalls anonym bleiben wollen. FSF veröffentlichten daraufhin ebenfalls eine Stellungnahme, in der sie sich zu den Anschuldigungen äußerten:

Wir wurden von verschiedenen Menschen auf die Seite und die Ankündigungen hingewiesen, die gestern Abend Anschuldigungen gegen die Band und Monchi veröffentlicht haben. Darauf wollen wir reagieren – offen und transparent. […] Es gibt keine Vorwürfe, die an uns oder die extern betreute E-Mail-Adresse herangetragen wurden. Das wollen wir noch mal betonen. Wir werden uns weiterhin intensiv mit diesen Themen beschäftigen, versuchen zu lernen, nichts verschweigen und uns Konflikten stellen.“

Es folgten Statements von beiden Seiten, bei denen die Gruppe „Niemand muss Täter sein“ ihre Anschuldigungen weiterhin beteuerte und von mindestens elf Betroffenen sprach, wovon sich fünf Personen nach den ersten Anschuldigungen an die Gruppe gewandt hatten. Die Band wiederum kündigte an, sich mit allen Vorwürfen auseinander zu setzen und die Thematik möglichst schnell aufzuarbeiten. Kurze Zeit darauf veröffentlichte die Band einen Beitrag auf Instagram und kritisierte die Form der Anschuldigungen:

Wie geht man mit einer anonymen Internetseite um, die sich zuvor nie bei uns gemeldet hat und bei der man den Eindruck hat, dass es in erster Linie um Zerstörung geht? So viele Gerüchte, so wenig Wissen, so viel Internet. Allein, dass Leute behaupten, dass Christoph und Jacobus wegen solcher Vorwürfe die Band verlassen haben, ist totaler Quatsch.

Der Gitarrist und Songwriter Christoph Sell und der Trompeter Jacobus North hatten die Band einen Monat zuvor verlassen. Als Gründe wurden hierbei neben musikalischen auch private Differenzen genannt. Nachdem die Band veröffentlicht hatte, dass die Anschuldigungen bzw. die Taten dabei keine Rolle spielten, dementierten dies sowohl Christoph Sell als auch Jacobus North:

Ich distanziere mich auch deshalb von den Äußerungen, die in den letzten Postings der Band auch in meinem Namen getroffen wurden. Sie entsprechen in keiner Weise meiner Auffassung und verzerren die öffentliche Wahrnehmung von mir und meinem Austritt aus der Band. Es sollte an dieser Stelle nicht um mich gehen, aber ich bin mit meinem Austritt meinen moralischen und politischen Überzeugungen gefolgt. […] Hier streiten und kommentieren jetzt Männer über Beweise, wer wann was wusste und wer wem was wie gesagt hat und besetzen so den Raum, der Betroffenen gehören sollte.

Als Folge der Diskussion um die Vorfälle beendete Jan Gorkow seine Lesetour für sein Buch „Niemals satt“. Im Sommer gab es danach vereinzelt weitere Konzerte und Auftritte auf Festivals, gemeinsam mit dem neuen Gitarristen und Sänger Hauke Segert. Am 22. Juni ging die Band dann noch einmal auf die Aussagen der beiden ehemaligen Mitglieder ein, wies die angesprochenen Vorwürfe von sich und erklärte die Stellungnahmen der Beiden als unwahr. Im August folgte ein weiterer Post von „Niemand muss Täter werden“, indem die Gruppe das Verhalten der Band und ihre Reaktion auf die Vorwürfe als unreflektiert kritisierte und allen anderen betroffenen Personen von sexualisierter Gewalt Mut und Solidarität zusprach. Auch das Verhalten des Labels von FSF Audiolith und Veranstalter*innen wurde angesprochen und fehlende Haltung kritisiert. Anschließend wurde es um die Thematik still.

Im Dezember 2022 folgte nun ein Tweet von „Niemand muss Täter sein“. Dieser bezog sich auf die Sperrung ihres Instagram-Account aufgrund eines Antrags auf Auskunftserteilung des Landgerichts Stralsund. Die Gruppe veröffentlichte, dass dies nach einer Anklage gegen Verleumdung und Beleidigung geschah. Es geht dabei um einen Streitwert von 15.000 €.

So der aktuelle Stand dieser komplizierten und schwierigen Auseinandersetzung. Einige linke Gruppen haben sich mittlerweile von der Band klar distanziert. So richtig intensiv beschäftigt scheint sich die Band mit den Vorwürfen nicht und sieht weiterhin kein bisschen Schuld bei sich. Da es jetzt wahrscheinlich zu einem Prozess gegen „Niemand muss Täter sein“ kommt, ist es möglich, dass die ganze Situation am Ende betroffene Personen davon abhält, ihre Stimme zu erheben und über Vorfälle und Täter zu reden. Am Ende gewinnt also niemand, Betroffene von sexueller Gewalt verlieren. Dabei geht es gerade darum, ihnen zu helfen, oder wie es das ehemalige Bandmitglied Jacobus North in seinem Statement am Ende sagt:

Unterstützen und vertrauen wir feministischen Gruppen. Sie kämpfen tagtäglich für Gerechtigkeit von FLINTA* in der von Männern dominierten Welt.

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