In unserem letzten Beitrag über die Fußballweltmeisterschaft der Männer in Katar berichteten wir über die massiven Frauenrechtseinschränkungen in dem Wüstenstaat. Nun wollen wir erneut die Menschenrechtssituation in Katar beleuchten, dieses Mal im Hinblick auf den Lebensalltag queerer Menschen.

Homosexualität bzw. homosexuelle Handlungen sind in Katar illegal. Die Rechtsprechung in Katar basiert zu großen Teilen auf der Scharia. Im geltenden katarischen Gesetzbuch bezeichnet der Artikel 296 sämtliche gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen als „Sodomie“. Auf diese stehen in Katar bis zu fünf Jahre Haft. Da Homosexuelle in Katar nicht heiraten dürfen und Muslimen in der katarischen Rechtsprechung vorehelicher Sex verboten ist, werden homosexuelle Muslime zusätzlich dafür bestraft. Hier droht sogar die Todesstrafe, auch wenn diesbezüglich aktuell kein Fall öffentlich geworden ist.
„Es ist ein geistiger Schaden“
– katarischer WM-Botschafter Khalid Salman in der ZDF-Dokumentation „Geheimsache Katar“
Anlässlich der Weltmeisterschaft versucht der Golfstaat modern zu wirken, die Verantwortlichen sprachen im Vorfeld immer wieder davon, dass auch Homosexuelle während der WM in Katar willkommen sind. Doch mehrere Medienberichte, Zeugenberichte und Aussagen von Politiker machen deutlich, Homosexualität und allgemein queere Menschen sind in Katar unerwünscht. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch veröffentlichte im Vorfeld zur WM einen Bericht über Verhaftungen von Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen zwischen 2019 und 2022. Hierbei kam es in sechs Fällen anschließend zu sexueller Belästigung und körperlichen Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte. Anschließend wurde den Personen medizinische Versorgung verweigert und eine Erklärung erzwungen, dass sie diese „unmoralischen Aktivitäten“ einstellen.
Aufgrund der Gesetzgebung existiert keine wirkliche LGBTQIA+-Bewegung oder Szene in Katar, lediglich im Untergrund gibt es gelegentliche Treffen. Stattdessen sind Konversionstherapien verbreitet, in denen Homosexuelle oder auch Transmänner und -frauen „geheilt“ werden sollen. Wer kann, der flieht ins Ausland. So etwa Nas Mohamed, der 2011 aus Katar in die USA zog. Als erster Mann aus Katar outete er sich im Mai 2022 öffentlich als schwul. Er wohnt in San Francisco, zu seiner Familie in Katar hat er seit Jahren keinen Kontakt mehr. Auch er prangert die Situation in seinem Heimatland an, kennt Homosexuelle, die bis heute dort leben und sich aus Angst vor Verfolgung und Bestrafung öffentlich nicht zu ihrer Sexualität bekennen können. Im Gespräch mit dem ZDF rät er Homosexuellen von einem Besuch der WM ab, zu groß ist die Gefahr einer Strafverfolgung oder Gewalt.

Unter anderem aufgrund der Verfolgung der LGBTQIA+-Community in Katar gab es bis heute immer wieder Kritik an der WM-Vergabe. Um ein Zeichen gegen diese Diskriminierung zu setzen, planten einige europäische Mannschaften mit einer „One-Love“-Kapitänsbinde aufzulaufen, welche mit bunten Farben (kein Regenbogen) auf die Situation in Katar aufmerksam machen sollte. Dieses Symbol wurde von vielen als zu schwaches Zeichen kritisiert. Doch als der internationale Fußballverband FIFA selbst für das Tragen der „One-Love“-Binde Strafen androhte, knickten sämtliche beteiligten Nationalmannschaften ein. Dies sorgte erneut für medialen Aufruhr, die Supermarktkette REWE beendete daraufhin sämtliche Kooperationen mit dem Deutschen Fußballbund DFB.
Während also die deutsche Nationalmannschaft bis auf eine „Mund-zu-Geste“ vor dem ersten Gruppenspiel keinerlei große Zeichen setzte oder gar die Weltmeisterschaft boykottierte, taten es dagegen viele Fans. Die Einschaltquoten der Fußballweltmeisterschaft der Männer sind auf einem historischen Tiefstand. Die nicht vorhandenen LGBTQIA+ Rechte sind nicht der einzige Grund für das Desinteresse, aber doch ein Puzzleteil des Boykotts. Ganz unter den Tisch kehren werden die katarischen Funktionäre dies auch während der WM nicht können. Erst am Montag, dem 28.11.2022, machte ein sog. „Flitzer“ während des Spiels zwischen Portugal und Uruguay mit einer Regenbogenfahne und einem T-Shirt, beschriftet mit Solidaritätsbekundungen für die Ukraine und die Proteste im Iran, auf sich und die Thematiken aufmerksam. Er wurde anschließend verhaftet. Um einen weiteren Skandal zu verhindern, ließ man ihn aber nach kurzer Zeit frei. Ob sich das Verhalten gegenüber LGBTQIA+-Aktivist*innen nach der WM nachhaltig ändert, oder gar die ganze Gesetzgebung, ist mindestens sehr fraglich.